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Die Hauseltern - Vater, Meister und Hausherr

In der frühen Neuzeit galt das „Haus“ als kleines Abbild der Welt, der Hausvater war hier Monarch und Unternehmer.
Das Haus unterlag religiösen, politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Regeln. Diese waren ganz anders als die der neuzeitlichen „bürgerlichen Familie“ und einer arbeitsteiligen, kapitalistischen Gesellschaft.
Georg Leopold verhielt sich oft mehr wie ein Hausvater als ein Politiker oder Familienmensch. Die Motive seines Handelns lassen sich also am besten aus dieser Rolle erklären.   

Das „Ganze Haus“ ist ein wissenschaftliches Konzept, nach der in der Frühen Neuzeit die Wirtschaft und Familie funktioniert habe. Die Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts entwickelte es aufgrund der Auswertung der Hausväterliteratur des 17. Jahrhunderts. Diese Handbücher wiesen den Grundbesitzer an, wie er möglichst unabhängig von seinem eigenen Land leben konnte. Die Bandbreite reichte von der Erziehung des Gesindes bis zur Heilung von Pferdekrankheiten. Weil sich mit dem Begriff „Ganzes Haus“ auch autoritäre, patriarchalisch, antidemokratische Vorstellungen verbanden, wird heute eher der Ausdruck „erweiterter Haushalt“ verwendet.
Grundlage des „erweiterten Haushalts“ war, dass die Hausgemeinschaft gemeinsam wohnte und arbeitete.
Das Ideal der Wirtschaft war die weitgehende Selbstversorgung. So wurde auf dem Hof eines Adeligen oder Bauern Nahrung selbst hergestellt und auch gegessen, der Eigenbedarf an Kleidung aus eigener Wolle oder Flachs hergestellt, usw. Der Haushalt des Ackerbürgers funktionierte nicht viel anders. Georg Leopold hatte von seinem Vater oder durch Ankauf Felder und Wiesen. Seine Ernte verarbeitete und lagerte er in seinem Haus. In den Kellern lag Bier, auf dem Dachboden Getreide und Heu, im Stall stand die Kuh. Selbst Geistliche bezogen ihr Grundeinkommen damals weniger aus Geldeinkünften als durch Naturallieferungen abhängiger Bauern oder des Arbeitgebers. Sie hatten eigenen Ackerbau, im Pfarrhof Kuhställe, Scheunen und einen beheizten Raum zum Trocken und Spinnen von Flachs und Wolle.
Hier hatte also Leopold als Kind schon die Agrarwirtschaft kennengelernt. Die Reinform des selbstversorgenden Haushalts gab es freilich nie, weil immer Marktverflechtungen bestanden. Jeder Bauer verkaufte Überschüsse. Umso mehr hatte jeder Ackerbürger von Redwitz außerhalb der landwirtschaftlichen Spitzenzeiten einen Brotberuf. Georg Leopold war Riemer, weil sein Vater das so wollte. Doch er kaufte auch wagenweise Wein, Salz und sicher auch andere Güter, die er aus dem Fernhandel bezog und wie ein Wirt oder Krämer weiterverkaufte. Und er verlieh Pferde und Zugochsen an Fuhrleute.[1]
Das Primat der Wirtschaft prägte auch das Verhältnis der Eheleute, Kinder und des Gesindes. So bestimmte die Arbeitsteilung das Verhältnis der Geschlechter. Der Mann sollte die körperlich schweren Arbeiten und die im Außenbereich übernehmen, die Frau eher innerhalb des Hausbereichs. In der Landwirtschaft hieß das, dass der Mann die schweren Feldarbeiten um Getreide, Flachs u. ä. besorgte, genauso wie die Waldarbeit und die Großviehzucht. Die Frau kümmerte sich um Gemüse und Kleinvieh. Das konnte auch dazu führen, dass der Mann wenig zu sagen hatte. So beschlossen die Frauen von Redwitz 1643 nach einem späten Sommer das Kraut auf den Feldern länger wachsen zu lassen, doch ein früher Wintereinbruch ließ alles verderben.[2] Bei der Ernte mussten Mann und Frau zusammenarbeiten. Genauso wie der Hausvater die Geschäfte in der Außenwelt versehen sollte, war die Hausherrin verantwortlich für den Haushalt: Sie trug einen Schlüssel am Kleid als Zeichen ihrer Schlüsselgewalt. Deutlich wurde das auch, als sich Reiter in Georgs Haus einquartiert hatten und Barbara die Verluste des Betriebes dokumentierte.          

„Den 29 dito [März 1634] hat sich der General mit dem Stab
in Wunsiedel einquartiert.
5 Regiment schickte er uns abermals über den Hals,
denen wir Quartier geben mussten. Diese richteten
uns das Kraut zum Herd und waren geschlachte Brüder.
Ich hatte eine ganze Kompanie, die ich aushalten musste.
Ich musste auch mit einigen Gästen Brett spielen,
in welchem Spiel ich sonst ein Meister.
Aber damals wusste ich nicht, was Zink, was Daus war.
Indem mir sonderlich meine Frau in das Ohr pfiff,
wie sie die Kühe geschlachtet und das Bier aus
dem Keller schrotteten. Ich musste fortspielen und
durfte nit sauer darzu sehen, denn sie sagten,
was sie im Quartier gefunden, das wäre alles ihr.
Wir sollten Gott danken, dass sie uns die Häuser
ließen etc."[3]

(Zur Vorgeschichte von 1634 vergl. unten.)[4]

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Überblick

Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert war das "Haus" nicht nur Wohnung der Familie sondern auch des Gesindes und ein Wirtschaftsunternehmen. 
Hausherrin und Hausvater sind gleichwertig und stehen über den unverheirateten Mitbewohnern.