Zur Navigation springen Zum Inhalt springen

" N[eben]B[emerkung]

Ursachen wie Redwitz so viel Plünderung ausstehen können

Nicht ohne Wunder – möchte einer wolgedencken,
wie es doch möglich, daß unser Markt Rebitz so viel ausgestanden,
viel Blünderung, Brandtschatzung erliedten,
auch große und schwere Quartirung ausstehen müssen.
Wo wir es doch alles genommen?!
Worauf zu wissen, dass Rebitz nit allein ein gelegener Orth,
in welchem sich zu Friedenszeiten sanfft und wol zu nähren,
sondern auch unter guter Obrigkeit langer Zeit gesessen,
welche sich jeder Zeit mit der jährlichen Steuer begnügen lassen.
Über daß auch mit allerley Handtierung, Handtwerkern
und Gewerben trefflich floriret.
Daß also zu Friedenszeiten Rebitz benachbarten Städtlein
nit viel vorgeben [hat]
Dahero sich die Leuth vor der Zeit ziemblich bereichert,
und soviel vor sich gebracht, daß sie bei diesen Kriegszeiten
wohl was nachzusetzen gehabt.[ …]
Sobaldt ein Marsch, oder ein Quartierung oder Blünderung
vorüber gangen, do hat man alßbalden Getraydt Mälzer
und Vieh von anderen Orthen, doch mit Confoy und
großen Uncosten hergebracht.
Man hat geschlachtet, gebacken.
Da ist alles alsbalden zu Geldt gemacht worden.
Das Bierbrauen hat dieser Zeit das Beste bei unß getan, […]
den man offt ein Bier gebraut, davon in 3 od(er) 4 Tagen
kein Tropff mehr vorhanden gewesen.
Ja, viel Gebräu sindt weggangen und austrunken worden
wan es nur erkaltet ist, ehe den man demselben Heffen
gegeben hat.
Die Ursachen, das bey uns offtmalß solche Noth
umb Bier gewesen, ist dieß, dieweilen man zu
Mitterteich, Artzberg, Dürschheimb und andern vielen
abgebranndten Örttern nit hat brauen und Bier haben
können, Und obwoln die Noth im Lande sehr groß gewesen,
so hat doch solche nasse Wahr allezeit noch den Abgang gehabt.
[…] So ist auch er Feldtbau noch immerzu –
von einem Jahr zum andern doch mit großer Noth,
Gefahr und Unkosten –
bestellt worden;
denn das Saam[en]getreidt [ist] zu Eger genommen
und von einem Jahr zum anderen geborgt worden.
So hat man auch zu Saatszeiten Confoy [Konvoi]
mit vff das Feld nehmen und auf alle Berg Schildtwachten
stellen müssen, damit, wann man Reutter von ferne
kommen sehen – dass wir mit Einspan sambt der Confoy
beizeiten habe entlaufen können etc. 
[An] andern Orten, da [ist] der liebe Feldtbau ganz
liegendt verblieben […] sondern ganz verwüstet und
mit Holtz angewachsen worden.
Nechst diesem allen ist das nicht die die geringste Ursach,
dass uns Gott der Allmechtige unsere Hüttlein erhalten und
von Brandt und Feuer errettet, dafür wir seine Allmacht
nit genugsamb zu danken; denn sobald eine Blünderung,
Quartierung und Durchzug vorüber, (da) hat sich alßbald
ein jeder wieder ein wenig eingerichtet und gesehen,
wie er seine Sachen angestellet.[1]

„Unser täglich Brot“ Markt-Wirtschaft (Langform)

Die Wirtschaft im Markt Redwitz hatte viele Stützen.
Die Redwitzer waren Ackerbürger. Das heißt, dass jeder Hausbesitzer neben einer Landwirtschaft meist auch einen städtischen Beruf hatte. Die Bürger hatten Wiesen und Felder auf dem kleinen Territorium des Marktes oder in der Pfalz bzw. im Markgraftum; Steuern zahlten sie aber nicht an die auswärtigen Fürsten, sondern an den eigenen Markt. Das Heu und Stroh lagerten sie wegen der Brandgefahr eher vor den Toren in Scheunen. Getreide und andere Früchte brachten sie ins eigene Haus, wo sie diese auch weiterverarbeiteten. Das Korn wurde in Mühlen gemahlen. Reine Bauernhöfe gab es nur einen, und der lag außerhalb in Dörflas und gab seinen Zehnt an den Rat. (In Manzenberg und Pfaffenreuth gab es 1640 24 Bauernhöfe1).
Viele Hausbesitzer hatten eigene Gerste und brauten deshalb selbst. Im Mai 1645 errichteten 30 Hausbesitzer für das neuartige Weißbier ein Brauhaus (mit eigenem Braumeister),2 1654 handelte der Rat allein Hopfen, löste das Monopol aber gleich wieder auf.3 Der Rat investierte ständig Geld in den Unterhalt von Brauhaus und -geräten.4 Inzwischen konnte jeder Hausbesitzer gegen eine Gebühr an die Stadt seine gemälzte Gerste ins Brauhaus bringen und einen entsprechenden Anteil am Bier abholen. Was die Familien nicht selbst tranken, durften sie verkaufen. Neben diesen nebenher betriebenen Schenken gab es nur wenige Wirte, die auch Speisen, Unterkunft und Ställe anboten. Diese Gastwirte stellten dann aber die vermögendsten Bürgerfamilien.
Besonders einträglich erwies es sich für die Ackerbürger, Schlachtvieh zu mästen. Das rentierte sich, obwohl sie Kälber, Streu und Futter oft im Ausland zukaufen mussten.
Redwitz hatte den Vorteil gegenüber den umgebenden Landstädten, dass es nicht auf Einnahmeerhöhung orientierten Fürsten unterstand, sondern der Stadt Eger.
Einerseits erhob die Reichsstadt seit Jahrhunderten feste Abgaben, obwohl die Steuerkraft des Marktes stieg. Eger verlangte von den Einwohnern vergleichsweise geringe Abgaben: von den Hofbesitzern eine Klosteuer (Klauensteuer) auf ihr Vieh, den „Bern“ vom Pfarrer (Steuer auf Eberhaltung), eine Losung von jedem Bürger, Abgaben (Salzgeld) und Gerichtsgebühren. Für das Recht Bier zu brauen zahlte der Marktrat einen festen Betrag, das Umgeld, an die große Stadt: Selbst zog er aber von den bierbrauenden Bürgern weitaus mehr Gebühren ein (und finanzierte so öffentliche Einrichtungen in Redwitz). Der Markt verlangte von der auswärtigen Konkurrenz für eingeführtes Bier zum Umgeld auch noch ein Schutzgeld (1646 ½ Taler pro Eimer). Weil umgekehrt die Einfuhr der Rohstoffe billig war, konnten die Brauer in Redwitz billiger produzieren als ihre Konkurrenten beispielsweise in Dörflas und sogar bis Eger exportieren.5
Andererseits hatten die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth (Rezesse von 1561 und 1598) und die Kurpfalz (1591) den Redwitzern erlaubt Obst, Vieh und Getreide für den eigenen Bedarf – Viktualien – zollfrei auszutauschen. Eger verlangte von seinem Markt ohnehin kaum Zölle für den Egerkreis, später erlaubte die Böhmische Krone den Eigenbedarf frei auszuführen. Die Handwerke zahlten keinen Zoll für ihre Rohstoffe aus Böhmen.6 1680 errang Georg Leopold eine weitergehende Zollbefreiung für Holz, Vieh und Getreide aus den bayreuthischen, böhmischen und Pfälzer Territorien.7 Die pfälzischen und markgräflichen Ein- und Ausfuhrzölle und der egerische Transitzoll durch Redwitz trafen also den Fernhandel und fremde Untertanen.
Aus diesen Gründen war aber Redwitz auch ein Anziehungspunkt für Käufer aus dem nahen Ausland und neue, innovative Handwerke. Zu den vier Märkten und Kirchweihen hatten die einheimischen Handwerker und fremden Händler guten Absatz. Die protestantischen Bürger kämpften darum (1644, 1655) zu den „katholischen“ Festen Markt halten zu dürfen, obwohl sie kein Heiligen wie Walburg, Andreas, Matthias und Bartholomäus verehrten. Andernfalls würde Redwitz zugrunde gehen und Dörflas wachsen.8 Ebenso verderblich wäre es gewesen, hätte einer der Fürsten Zölle erhoben. Die Kirche war auch ein wichtiger Einkommenszweig. Über die Hälfte der Gemeindeangehörigen wohnten „im Ausland“ und finanzierten so die Kirchendiener und Schulmeister. Außerdem mussten sie für Begräbnisse, Taufen und Hochzeiten in den Markt kommen, von den damit verbundenen Feiern („Leid vertrinken“) profitierten die Gastwirte.9
Eine weitere wirtschaftliche Stütze war der Fernhandel. Im Markt kreuzten sich die beiden bedeutenden Fernhandelsrouten (Italien)-Regensburg-Magdeburg (Magdeburger Chaussee) und Nürnberg-Eger-Prag. Seit 1384 genoss der Markt die zwischen Nürnberg und Eger bestehenden Zollvorteile. Importwaren mussten auf dem Markt niedergelegt werden, so dass die Bürger diese nicht nur für sich selbst einkaufen konnten, sondern oft auch als Kleinkrämer weiterverhandelten. Großhändler ließen sich hier allerdings nicht nieder. Arbeit schufen die Fernstraßen auch dadurch, dass sie außerhalb der Stadt über Gebirge führten, so dass den Frachtwägen zusätzlich Zugtiere vorgespannt werden mussten. Deshalb wurden im Markt auch viele Pferde und Zugochsen vorgehalten. Das brachte auch Einkommen für Reparaturbetriebe (Hufschmiede, Sattler, Wagner), Gastwirte, Stallbesitzer und Gespannführer. Außerdem gab es hier Scheunen mit besonders großen Toren (wie heute noch in der Egerstraße), um Handelswägen unterzustellen. Ein Zug konnte schon mal 40 Wagen umfassen.10 Fässer waren die Container der Frühen Neuzeit und so hatten auch Böttcher ein gutes Auskommen. Georg Leopold selbst war Riemer und hatte Ställe mit Pferden und Ochsen.
Das wichtigste regionale Ausfuhrprodukt, besonders aus dem bayreuthischen Umland, war Schmalz, für das aus Böhmen Vieh, Hopfen und Getreide kam.11 Redwitz kann bei Missernten, wie denen von 1623 und 1626, und wenn das Umland ausgeplündert ist, Brot- und Saatgetreide aus Böhmen einführen.
Ein Teil der Bürger betrieb die Handwerke, die für eine Landstadt üblich waren (Töpfer, Bäcker, Schneider), oft aber auch nur als saisonalen Zuerwerb zur Landwirtschaft. Die Zünfte saßen in Eger oder im Markgraftum. Ein im nächsten Jahrhundert wichtiges Ausfuhr Gewerbe war das Gerben: scheinbar waren Rinde für Lohe und billige Rohhäute aus der Pfalz und Böhmen ein Wettbewerbsvorteil vor Dörflas, das am selben Bach lag.12
Im Krieg wandelte sich das Wirtschaftsleben.
Das Wetterleuchten war die Kipper- und Wipperzeit. Um im Vorfeld der Kriege mehr Steuern einzunehmen verschlechtert der Markgraf 1620 den Edelmetallgehalt seiner Münze.13 Redwitz hatte dagegen bis 1622 Zugang zur noch „festen“ Münze Böhmens und konnte so billiger Güter im Umland einkaufen. Dann brach auch die böhmische Wirtschaft zusammen.
Die Heerwege liefen weiter nördlich, d. h. große Truppenkörper zogen von Eger häufiger über Thiersheim nach Mitteldeutschland und in die Niederlande.14 Fußsoldaten plünderten die Orte und steckten nicht selten ihre Quartiere beim Abzug in Brand. Redwitz hatte für die Heere durch die Lage an einer Handelsstraße eine andere Bedeutung. Zum einen stand hier Zugvieh bereit, so dass schwere Nachschubwägen und besonders Kanonen hier durchgeführt wurden.15 Zum anderen gab es deshalb auch mehr Ställe und Futterscheunen, weshalb eher Reiter einquartiert wurden. Weil Pferde schwerer zu ersetzen waren als Männer, wurden auch die Ställe eher geschont.16
Auf den beiden Fernstraßen war die Gefahr von Überfällen geringer als auf Nebenrouten.17 Im Krieg wurde Redwitz häufig geplündert, doch die Häuser wurden nicht zerstört. So erlebten nach Leopold das Backen und Brauen einen Kriegsboom, weil die Konkurrenz – Backöfen und Braukessel im Umland – zerschlagen war. Außerdem führten Redwitzer Bürger ein neuartiges Produkt ein, das Weißbier, das überregionale Nachfrage fand.18 Ein Glück war es auch für die Bürger, dass sie ihre Felder vor den Toren weiterbewirtschaften konnten. Andere Landstriche verödeten dagegen, weil die Landbevölkerung erschlagen, auf der Flucht oder verzweifelt war, weil Plünderer ihre Ernte, Zugtiere und das Saatgut für das nächste Jahr stahlen. Redwitz konnte hingegen über Eger neues Saatgut aus Böhmen beziehen.
Was Georg Leopold nicht explizit schreibt, der Krieg etablierte neue wirtschaftliche Strukturen.
Die Soldaten und durch niedergebrannte Dörfer vagabundierende Schrottsammler, die das Umland ausgeplündert hatten, setzten ihre Beute in Redwitz um, so dass Wertobjekte, Vieh und Eisenschrott sehr günstig waren. Leopold verurteilt Kriegsgewinnler, die nach Plünderungen oft das Vieh noch in der Nähe eines ausgeraubten Dorfes billig abkauften, und im nächsten Ort oder in Böhmen wieder teuer verkauften.19 Schlimmer war es, wenn Bürger Beute von ausgeraubten Händlern kauften, denn das gefährdete die Handelsbeziehungen des Marktes. Die Bürgermeister konnten dann nur den Handel in der Stadt verbieten und Käufer zur Rückgabe auffordern. (Nürnberger Kaufleute holen ihre Sachen dann ab.)20
Umgekehrt bescherten die Soldaten und die Armeelieferanten (Marketender) in der Stadt den Sattlern, Bierbrauern, Bäckern, Waffenschmieden, und Pistolenmachern große Nachfrage. Die Handwerker mussten in diesen Phasen Tag und Nacht arbeiten, hohe Löhne zahlen und die Gewinne schnell in dauerhafte Güter anlegen oder verstecken, „weshalb zu solchen Zeiten ein fleißiges Gebet und gute Vorsichtigkeit vonnöten war“.21 Auch der Fernhandel profitierte, weil die Soldateska Tabak und Gewürze wollte. Oft musste der eigene Rat die Sachen bezahlen und unentgeltlich an das Militär liefern.
Es kamen aber auch mehr Güter auf den Markt, weil Flüchtlinge hochwertige Sachen und Tiere hereinflüchten, die sie verkaufen mussten. Fleisch gab es also immer. Ebenso waren die Flüchtlinge auch Abnehmer. Das waren in geringem Umfang die armen Bauern aus einem Umkreis von 20 Kilometern, die oft nur für wenige Tage hereinkamen und dann schon wieder auf ihre Felder hinauszogen. Bedeutender waren die Egerer und Wunsiedler Bürger und Pfälzer Beamten, die auch länger blieben.
Die Ausgeplünderten in der Pfalz und den Sechs Ämtern waren eine weitere Kundengruppe, weil dort viele Handwerksbetriebe vernichtet waren. Die Ausgeraubten mussten ihre verlorenen Güter (Silbergeschirr, Woll- und Seidentextilien, Geräte) in Redwitz ersetzen. Der Ersatz war zwar oft nur aus billigen Materialien (Ton, Holz, Zinn, Leinen), aber trotzdem kam das den Kleinhandwerkern zugute. Die mussten sich nur beeilen, das Geld schnell wieder in dauerhafte Güter umzuwandeln, bevor ein Räuber oder Plünderer kam.
Zollvergehen waren vielleicht über Jahrhunderte bis 1816 eine weitere Redwitzer Einnahmequelle. Doch Leopold erwähnt nur im Krieg eine Variante davon. Bürgermeister Cristoph Hagen schmuggelte 1648 Tabak in das belagerte Eger (zu den Schweden), obwohl die Bayern Schmugglern die Ohren und Nasen abschnitten.
Die Zerstörung von anderen Marktflecken, die kriegsbedingte Umverteilung von Besitz und der Wiederaufbau auf dem Land führten dazu, dass 1645 Redwitz einen neuen Vieh- und Wochenmarkt einrichtete. (Den ebenfalls neuen Konkurrenzmarkt in Waldershof ruinierten die Bürger, indem sie ihn nicht beschickten.)22
Laut Leopold konnten die Redwitzer den Krieg überstehen, weil sie bereits in Friedenszeiten Rücklagen gebildet hatten. Die Kriegsgewinne Einzelner konnte der Rat durch Steuern und Sonderabgaben abschöpfen, weil die Verwaltungsstrukturen intakt geblieben waren. Aus der Gemeindekasse oder durch Schulden konnte der Rat den Markt freikaufen. Damit verhinderte er oftmals, dass Soldaten nicht nur Lebensmittel und Wertgegenstände beschlagnahmten oder plünderten, sondern auch noch die Werkzeuge und Werkstätten zerschlugen. Während des Kriegs mussten außerdem mehr Abgaben (Kontributionen) an die Schweden, Bayern und die Kaiserlichen und Kriegssteuern an die Stadt Eger gezahlt werden. Die direkten Kriegskosten beliefen sich auf 85.722 fl. (Gulden) 33 Xr. (Kreuzer). Doch die 700 Einwohner hatten weit mehr verloren.23 Die Abgaben an Eger und Böhmen dauerten noch lange im Frieden an. So kam der Markt zwar verarmt und tief verschuldet aus dem Krieg. Die Gewerbe und viele Betriebe waren aber bestehen geblieben und der Wiederaufbau des Umlands schuf große Nachfrage. In den 1650er Jahren gab es wieder genügend Überschüsse, deutlich erkennbar daran, dass unter Bürgermeister Georg Leopold die Kirche und andere öffentliche Gebäude renoviert und ausgebaut wurden.

5 Einträge gesamt.
<< Erste < Zurück 1 2 3 Nächste > Letzte >>

Seite 2 von 3

Überblick

Der Markt Redwitz lag an einer Kreuzung von wichtigen Handelsstraßen. Dadurch hatten viele Bürger ein Einkommen. Beinahe jeder betrieb auch Ackerbau.