Zur Navigation springen Zum Inhalt springen

„Predig-Ampt […] ůber hundert Jahr von denen Leopolden versehen“ - Kirchengeschichte

Die Pfarrei Radewitze wird 1140 erstmals erwähnt. Kaiser Ludwig der Bayern schenkte den Ort 1339 dem Kloster Waldsassen. Das verkaufte Redwitz zwar schon 1340 an Eger; doch das Kloster besetzte die geistlichen Stellen.
Mit der Zeit vereinnahmten aber Rat und Bürger des Marktes das Recht, einen Pfarrer vorzuschlagen. Waldsassen setzte den Lehnpfarrer oft nur ein.

Der Markt Redwitz wurde 1560 evangelisch, vier Jahre vor seiner Herrin, der Reichsstadt Eger. Der Pfalzgraf hatte das Stift Waldsassen aufgehoben und so belehnten protestantische Fürsten (bis 1620) die Pfarrer des Marktes Redwitz.
Die Redwitzer setzten meist ihre Kandidaten durch. Der dritte evangelische Pfarrer, Johann Georg Leopold (1596/1620) machte seine Familie zu einer der führenden des Marktes. Sein Sohn Mag. Christoph Leopold (1620/1628) folgte ihm im Amt. Die meisten Gemeindemitglieder lebten in den Dörfern, die im Territorium des Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth oder der Kurfürsten der Pfalz lagen.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618/1648) konnte der Kaiser seine böhmischen Erblande wieder rekatholisieren. Er beendete 1627 die evangelische Epoche in Eger. 1628 ließ er auch aus dem egerischen Redwitz die lutherischen Prediger entfernen.

„Interim wurde [1629] das ius patronatus hier strittig.
Ward deswegen baldt nach München an Chur-Bayern,
baldt nach Wien, an Kay(serische) Majestät,
baldt an Bischoff nach Regensburg berichtet […]
Blieb also die Pfarr unbestellet, und die Kirch verschlossen. […]
Copuliern und Kindertauffen wardt uns frey gelassen,
wo wir wollten. […]
Dahero wir einen erbarmlichen Zustand [hatten].
Die Kirch wurde nit aufgesperrt.
Kein Glock hörte man leutten.
Waren also wie zerstreuet Schaf ohn ein Hirten.
Jedoch wurde zu Brandt vff Befehl
des Herrn Markgraffen fü. Gn. gepredigt.“[1]

Einundzwanzig Jahre war das Pfarramt nominell wieder katholisch. Die Zuständigkeit, wer das Pfarramt besetzen dürfe (ius patronati), wurde aber nie geklärt. 1628 hätten die kaiserlichen Kommissare dem Markt noch selbst erlaubt, einen katholischen Geistlichen zu berufen. Dann wurden sich die kirchlichen Behörden und die Fürsten hinter ihnen uneins, wer die Stelle besetzen dürfe. Der Regensburger Bischof hätte gerne wieder sein nördliches Bistum wiedererrungen: die Sechs Ämter waren ja protestantisch geworden und in Eger, als einziger Stadt unter der Krone Böhmens, wollte der Kaiser ihn nicht wieder stark werden lassen. Der Kaiser bevorzugte die Jesuiten, weil er dann mit der Kurie im Rücken keine Rücksicht auf die unteren Ebenen der Kirchenverwaltung nehmen musste. Das erneuerte Stift Waldsassen pochte auf ältere Rechte und hinter ihm stand der Kurfürst von Bayern, der seine neu erworbene obere Pfalz effektiv organisieren wollte. Abgesehen davon mussten so viele rekatholisierte Pfarren neu besetzt werden, dass Mangel an ausgebildeten und charakterlich geeigneten Geistlichen herrschte. Folglich blieb die Kirche in Redwitz oft über längere Zeitphasen geschlossen.
Jahrelang blieb auch die Schule geschlossen, nachdem immer wieder offenbar wurde, dass der Markt Schulmeister auf diese Stelle brachte, die hauptsächlich evangelische Glaubenserziehung betrieben. Neue katholische Schulmeister fanden sich aber genauso schwer wie kompetente Geistliche.
Die Bürger widersetzten sich auf vielerlei Weise der Gegenreformation: Sie besuchten lutherische Predigten und Schulen in den Dörfern der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth.[2]
Die protestantischen Bürger wiesen den neuen Kalender zurück (weil den ein Papst, Gregor XIII., eingeführt hatte). Nach ihrer alten Zählung war es immer 10 Tage „früher“.
Die Umstellung kam erst 1700: auf den 18. Februar folgte der 1. März. Es konnte also sein, dass die Schüler in die Schule mussten und sie nicht in die Kirche konnten, obwohl ein katholischer Feiertag war.
Die katholischen Geistlichen beugten sich immer wieder den lokalen, protestantischen „Gebräuchen“:
Zum Ersten feierten sie Kirchenfeste hier noch nach dem alten Kalender. Wenn Redwitz den ersten Adventssonntag feierte, war es im katholischen Waldershof oder Eger schon der dritte.
Zum Zweiten zahlten die Pfarrer für den Pfarrhof Schutzgeld an den protestantischen Fürsten in Bayreuth (obwohl der ein Lehen von Waldsassen war).
Zum Dritten hielten sie Leichenpredigten für Evangelische und sangen auch lutheranische Lieder mit der Gemeinde.[3]
Die Gegenreformation konnte organisatorisch nie so stark werden wie im Inneren Böhmens.
Manch strenger Pfarrer verwickelte sich in Vergehen und wurde von der katholischen Kirchengerichtsbarkeit abgezogen. Zeitweise musste die Kirche geschlossen bleiben, weil der Amtsinhaber auf der Flucht war oder kein qualifizierter Priester zur Verfügung stand.
(Von April 1642 bis Oktober 1643 blieb die Kirche beinahe ständig geschlossen, selten kam ein Prediger. Dann übernahm ein ehemaliger Offizier und Pfarrer aus Böhmen, der aber bald wieder abgelöst werden muss.)[4] Außerdem konnten keine Bewaffneten eingesetzt werden, um die Einwohner vom „Auslaufen“ ins protestantische Ausland abzuhalten und zum katholischen Kirchgang zu zwingen. Letzteres hatte seinen Grund wohl auch darin, dass sich nicht mal die katholischen Fürsten einig waren, wer dazu das Recht gehabt hätte, der bayerische Kurfürst[5] als Verwalter der Waldsassener Lehen also der Kirchengebäude oder der Kaiser als Herr von Eger und des Markts.
Dieses seelsorgerische Vakuum seitens der katholischen Kirche füllten fromme Hauseltern wie Georg Leopold, die mit ihren „Familien“ beteten.[6] In dieser Zeit führen nicht Geistliche die lutherische Gemeinde sondern die Ältesten: Das waren weltliche Inhaber von Ämtern, also Räte, Bürgermeister, Kirchenväter (weltliche Verwalter der Liegenschaften und Einrichtungen des Gotteshauses) oder der Gerichtsschreiber Sebastian Schmidt.
Trotzdem verloren viele Gläubige ihre konfessionelle Bindung. Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse waren unmöglich, wenn die Pfarre nicht besetzt war, oder wurden verweigert. Sie fanden dann an anderen Orten statt. So war oft nicht mehr klar, wer evangelisch oder katholisch war, auch nicht den Kirchenvätern und Bürgermeistern.[7] Schlimmer war natürlich, dass die Menschen durch Gewaltereignisse und Sittenlosigkeit der Soldaten moralisch abstumpften. Wenn so das gesellschaftliche Gefüge zerbrach, dann empfand das Georg Leopold als Überhandnehmen der Sünde. Er fühlte, dass ihm als weltlicher Obrigkeit die Kontrolle entglitt. Als Hauptgrund dafür, dass Redwitz zu Sodom verfiel, benannte er natürlich, dass es keinen evangelischen Gottesdienst gab.   Der Westfälische Friede beendete in weiten Teilen des deutschsprachigen Bereichs dreißig Jahre Krieg. Ein Friedensartikel lautete, dass im Reich wieder die konfessionelle Situation von 1624 hergestellt werden soll.
Eger beanspruchte der Kaiser aber als Teil seiner böhmischen Erblande. Deshalb musste es wieder rein katholisch werden. Lutherische Prediger, die mit den Schweden zurückgekommen waren, mussten das Egerland verlassen.
Der egerische Markt Redwitz lag aber im Reich. 1649 besetzten Bürger mit Unterstützung von Beamten und Geistlichen des Markgrafen die Bartholomäuskirche und führten wieder den lutherischen Gottesdienst ein.

Fußnoten

[1] Ius Patronatus , nach UniBib Bayreuth, Kanzleibib.Man. 19 S.3 f., Vorlage zu Leopold: Chronik Bd. I, S. 7 f.
[2] Leopold: Chronik Bd. I, S. 90
[3] Leopold: Chronik Bd. I, S. 71
[4] Leopold: Chronik Bd. I, S. 197, 233; Eine Übersicht über die Pfarrer findet sich (online) über: Holle, Johann Wilhelm: Das Fürstentum Bayreuth im Dreißigjährigen Krieg, in: Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, Bd. 4.1, Bayreuth 1848, S. 18 – 23, 29, 43, 55, bes. 22.
[5] Leopold: Chronik Bd. I, S. 75 – 77
[6] Georg Leopold predigt auf jeder Seite seiner Chronik. Andere Hausväter waren wirklich fähig Andachten in der Kirche zu leiten, wie der Gerichtsschreiber und spätere Bürgermeister Sebastian Schmidt. Vgl.: Leopold: Chronik Bd. I, S. 136 f., 159.
[7] Leopold: Chronik Bd. I, S. 140 f.

5 Einträge gesamt.
<< Erste < Zurück 1 2 3 Nächste > Letzte >>

Seite 2 von 3

Überblick

1560 bis 1628 waren die Redwitzer evangelisch.
Die Rekatholisierung danach fasste aber nicht Fuß.
1649 wurden die Bürger wieder evangelisch.
Die Leopolds stellten die meisten Geistlichen.