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Original Brief von Georg Leopold an Eger

Georg Leopold und die Zollpolitik  

Georg Leopold beschreibt in seiner Chronik vor allem den Alltag in der Stadt und das protestantische Kirchenwesen. Die politischen Verhältnisse beschreibt er vertieft nur um seine Treue zum Kaiser bei gleichzeitigem Festhalten am Protestantismus darzustellen und sein Anbiedern an die Schweden zu rechtfertigen.
Leopolds Leistungen liegen also nicht nur im Bereich der Konfessions- sondern auch der Wirtschaftspolitik. In beiden sicherte er das Überleben des Marktes Redwitz. Zwischen 1660 und 1680 drohte der Verlust der Zollfreiheit und damit der wirtschaftlichen Grundfeste des Marktes.
War der Markgraf auch der Beschützer der Protestanten, so war es ihm doch ein Dorn im Auge, dass er durch die Zollprivilegien viel Geld verlor. Georg Leopold verschweigt in seiner Chronik, welche Konfrontationen es dadurch gab. Im Archiv von Eger findet sich eine Episode, die zeigt, welche Spielräume er als Marktpolitiker zwischen den Fürsten, der Stadt Eger und dem Kaiser hatte. Die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth (Rezesse von 1561 und 1598) und die Kurpfalz (1591) hatten den Redwitzern erlaubt Obst, Vieh und Getreide für den eigenen Bedarf – Viktualien – zollfrei auszutauschen. Außerdem hatten die Bürger noch Äcker und Weiden und brachten ihre Ernte in den Markt ohne Steuern zu bezahlen. Natürlich verlangten die Redwitzer umgekehrt von ihren Nachbarn in den nahen Dörfern (die ja zur eigenen Kirchgemeinde gehörten) beim alltäglichen Warenaustausch auch keinen Zoll. Irgendwann gab es im ganzen Bereich Brand, Oberthölau, Wölsau, und Reuthlas keine Zollüberwachung mehr. In gleicher Weise holten die Bürger auch Viktualien aus der Pfalz, die sie aber durch das markgräfliche Dörflas in den Markt bringen mussten, einen Transitzoll wollten sie aber nicht erlegen. Die Fürsten wussten, dass ihnen durch Falschdeklarierung (Eigenbedarf oder Handelsgut) und Schmuggel Ausfuhrzölle verloren gingen.
Komplizierter war es mit dem Fernhandel und Transit. Der Warenverkehr zwischen Eger (Böhmen) und dem egerischen Redwitz war vom brandenburgischen Zoll ausgenommen. Zoll wäre nur angefallen, wenn die Waren an einem anderen Ort dazwischen auf- oder abgeladen und veräußert werden sollten – dazu hätten die Fernhändler in die nächsten Zollstellen des Markgrafen in Wunsiedel und Arzberg kommen müssen (bzw. der jeweiligen Obrigkeiten). Das alles öffnete natürlich Tür und Tor für Schmuggel.
Vor 1660 begannen nun aber die Zollbediensteten auf den „Kgl. Böhmischen Grenzzollstellen“, Vieh, Getreide, Hopfen und anderes erst dann nach Redwitz ausführen zulassen, wenn es verzollt war. Das war aber ein Bruch der Zollfreiheit von Redwitz. Umgehend beschwerten sich Bürgermeister, Richter und Rat daraufhin beim Rat von Eger. Die Stadt Eger klagte daraufhin bei der „Königl. Böhmischen Kammer“ ohne etwas zu erreichen.
Also beschloss der Magistrat im Markt, sich den Verordnungen zu beugen und an der Grenze alles zu bezahlen, was nach Redwitz transportiert wurde. Dafür wollte er aber, dass Böhmen keinen Zoll auf Schmalz, Getreide, Malz und Vieh erhebe, das aus dem Markt hinausverkauft würde (Redwitz lag nicht in Böhmen sondern im Reich.) Das Argument war, dass Vieh, Viehfutter und Kornfrüchte auf fürstlich-brandenburgischem Boden angebaut würden und auch das Vieh dort weide. Man könne es doch kaum in den Markt einführen, verarbeiten und dann wieder in der Markgrafschaft verkaufen, wenn man zweimal Zoll zahlen müsste. Die Zollbediensteten wollten sich darauf nicht einlassen. So schloss Bürgermeister Adam Scharff mit den Zollbediensteten einen Vergleich „ad interm“ bis der Kaiser entschieden habe.
Auf alle Waren, die aus dem Markt herausverkauft würden, bei Vieh auch auf das, das hindurchgetrieben wurde, mussten in Redwitz an die Zolleinnehmer Abgaben entrichtet werden. Das betraf auch das markgräfliche und pfälzische Vieh der Bürger. Für einen Ochsen, der im Markt gemästet worden war, kostete die Ausfuhr 10 Kreuzer, für einen jungen Ochsen die Hälfte. Für einen Ochsen, der durchgetrieben wurde, belief sich die Transitgebühr auf 3 Kreuzer. Für Waren, die nicht gelistet waren, musste je nach Transportgefäß (Sack, Tragegestell oder Schubkarren) eine Ausfuhrgebühr entrichtete werden.
Aus Böhmen durften die Redwitzer ihren Eigenbedarf für den Verbrauch im Haushalt und die Weiterverarbeitung im Handwerksbetrieb ohne Zoll abholen. (Handelsgüter verzollten sie.) Wenn sie aber keine eigenen Fuhrwerke für den Transport hätten, dürften das auch böhmische Fuhrleute übernehmen.[1]
Die Zollstreitigkeiten müssen aber auch in Redwitz böses Blut geschaffen haben. Der Zollbereiter Balthasar Ernst von Müllach, saß zwar in Eger, die Zollbediensteten vor Ort waren aber die Bürger Johann Miesel und Hanns Leopold.
Dass die Bürger Waren unverzollt einführten, sahen die Nachbarfürsten nicht gerne.
1661 hatte die Ernte wenige Erträge eingebracht (Flachs, Getreide, Kraut) und die kurfürstlich bayerische und fürstlich-brandenburgische Regierung wollte nichts ins Ausland abgeben. Redwitz erhielt also kein Getreide mehr. Das verstieß gegen den Rezess zwischen Eger und dem Stift Waldsassen. Redwitz beschwerte sich bei der Hauptmannschaft Waldsassen und der kurbayerischen Regierung in Amberg. Manche Bürger hatten ja Äcker im Kurbayerischen und nie Zoll auf das eigene Getreide gezahlt – jetzt durften sie es nicht mehr nach Hause bringen. (Umgekehrt hatten sie gerade erst den notleidenden Waldershofern zu Malz weiterverarbeitete Gerste gegeben.) Die kurbayerische Regierung erlaubte dann doch wieder die Ausfuhr von Lebensmitteln, aber gegen Zoll und mit Ausnahme von Gerste.[2] Aus dem Markgraftum haben die Redwitzer ihr eigenes Getreide „als Eigenbedarf“ aber scheinbar doch noch frei bekommen.
1667 schritten die Bayreuther gegen dieses Kontrollvakuum in ihren Grenzdörfern ein. Sie errichteten in Dörflas auf der Straße ein kleines Häuschen. So konnten sie alle Transporte über die Brücke kontrollieren. Am 5. Juli 1668 (alten Kalenders) fuhren der Kastner und der Amtsschreiber von Wunsiedel durch den Markt. Auf markgräflichem Territorium packten sie zwei Säulen mit dem Wappen aus und stellten eine in Dörflas die andere vor dem Unteren Tor auf dem Anger auf. Der neu angestellte Zolleinnehmer verzollte dann hier die aus- und eingehenden Waren. Der Rat von Redwitz protestiert umgehend. Nachts beschmierten Unflätige die Zollsäulen mit Kot. Das wiederum lasteten die Markgräflichen dem Rat an.[3]
Hilfe von böhmischer Seite war aber gerade nicht zu erwarten, Skandale erschütterten das Zollwesen. Die Böhmische Kammer setzte den oben genannten Zollbereiter in Eger ab. (Der Zollbereiter hob nicht die Abgaben für die Reichsstadt Eger ein.) Der Zolleinnehmer im Markt, der Bürger Johann Miesel wurde wegen Unregelmäßigkeiten auch um 400 Reichstaler gestraft, was aber um ein Viertel, auf 450 Gulden reduziert wurde. Auf Fürsprache aus Redwitz wurde er auch im Dienst belassen. Die Böhmische Kammer verschärfte nun zwar die Zollaufsicht. Vor allem aber untersuchte sie die Redwitzer Umstände, damit der Markt nicht durch Zölle abgewürgt werde.[4]
Arm die Händler, die auf wenigen Kilometern für die Ausfuhr aus der Kurpfalz, den Transit durch Dörflas und die Einfuhr ins Markgraftum, den Transit durch Redwitz und die Pflasternutzung mehrere Zölle zahlen mussten. Das brachte natürlich Probleme für die Redwitzer mit sich, weil sie Zölle entrichten mussten für Waren, die sie als „Eigenbedarf“ deklarierten. Wenn eine Pfälzer Bäuerin im Korb Gemüse auf den Markt in Redwitz brachte, war das noch Eigenbedarf der Bürger oder schon ein Handelsgut, für das sie Transitzoll zahlen musste? Wenn ein Fuhrwerk von Süden über Dörflas nach Redwitz kam, dann aber nach Norden weiterfuhr, würden dann die Waren nicht in Wunsiedel zum zweiten Mal verzollt werden?
Zur Eskalation kam es 1672, als ein Hopfenhändler den Zoll in Dörflas umgehen wollte um nach Redwitz zu gelangen. Er wurde dabei vom markgräflichen Landknecht ertappt und musste 10 Reichstaler Strafe zahlen. Die Händler (Caspar und Georg Horn aus Sammetsberg) stammten aus Böhmen, die Ware möglicherweise aber nicht. Sie waren jedenfalls vom kurpfälzischen Konnersreuth über Brand (und Wölsau) Richtung Redwitz gefahren. Den Transport hatten sie aber weder in Arzberg noch Dörflas gemeldet.[5] 
Nun wandten sich die Redwitzer an ihre Obrigkeit Eger und klagten gegen die Zollstelle mit dem Argument, dass der Markgraf nicht zur Errichtung einer neuen Zollstätte berechtigt sei. Der antwortete, dass die Wehrstelle in Dörflas nur eine Zweigstelle des Kastenamts in Wunsiedel sei. Sie solle es den Händlern erleichtern, Ausfuhr- und Transitzölle zu bezahlen.[6] 
An diesem Punkt wandte sich der Redwitzer Bürgermeister Georg Leopold an seine Obrigkeit, den Bürgermeister von Eger. Er wollte, dass der Kaiser selbst seinem Reichsfürsten in Bayreuth ein Verbot erteile, den Handel von Redwitz zu behindern. (Der Brief ist im Original und in Transkription angehängt.) Demnach seien seit der Grenzeinigung mit Brandenburg-Bayreuth (Rezesse von 1561 und 1598) die Einfuhren aus Böhmen, der Pfalz und von anderen Orten nach Redwitz von Zöllen befreit, wenn sie über Dörflas kommen. Leopold gibt zu bedenken, dass Zollschranken den Ruin von Redwitz bedeuten würden. Damit deutet er auch an, dass in diesem Fall Dörflas zum Handelspunkt würde, ein Gewinn für den Markgrafen. Tatsächlich nahm sich die böhmische Regierung der Sache an. Nach acht Jahren gründlicher Arbeit bestätigte die Oberste Granitz-Zollkommission die Zollfreiheit. Der Markgraf musste akzeptieren, dass der Güterverkehr zwischen Böhmen und Redwitz unverzollt bleiben muss. Außerdem dürfe keine Obrigkeit für Holz, Vieh und Getreide aus den Bayreuther Gebieten und umgekehrt für Waren aus Redwitz Zölle erheben.[7]
Diese Zollfreiheit währte über ein Jahrhundert. Das Original der Oberzollcommissions-Resolution ging leider nach 1755 verloren. Aber da waren sich die Redwitzer sicher, dass sie ein Recht auf Zollbefreiung in allen bayreuthischen, böhmischen und Pfälzer Territorien hätten. (Nach 1777 wollte Österreich in Redwitz Einfuhr- und Verbrauchssteuern erheben  und verlangte Beweise, dass sie es nicht dürfe.[8])
Georg Leopold hatte seine politischen Handlungsspielräume als kleiner Marktpolitiker genutzt. Über seine Obrigkeit Eger verwickelte er die böhmische Krone in einen Rechtsstreit mit dem Markgrafen. Dadurch erreichte er – nach seinem Tod – dass Redwitz weiter frei Handel treiben konnte. Zugleich belastete er durch diese Politik das Verhältnis zum Schutzherrn des Protestantismus, dem Markgrafen nicht.

Fußnoten

[1] Der Fuhrmann musste einen „Schein“ vorweisen, auf dem Name des Bürgers, Menge, Datum und Name des Fuhrmanns zu verzeichnen sei. Es handelte sich nicht um „Freibolletten“, also Marken, die an die Güter angeplombt wurden. Nur die Bäcker hatten keinen Eigenbedarf an Mehl frei; für jedes Kar Weizen mussten sie interim 4 Kreuzer nach Böhmen abführen. Vergl.: Leopold: Chronik Bd. II, S. 170 - 172.
[2] Die Dörfer von Redwitz waren teils stiftische und teils leuchtenbergische Lehen, also kurbayerisch. Vergl.: Leopold: Chronik Bd. II, S. 187 – 191.
[3] Leopold: Chronik Bd. II, S. 245 f.
[4] Leopold: Chronik Bd. II, S. 246 f.
[5] Der Markgraf sandte Eger einen internen Bericht. Vgl.: Kastner und Hauptmann von Wunsiedel an Markgraf Christian Ernst, 7.3.1672, Cheb A 2741/21 Redwitz, Brandenburg II  1654-1804.
[6] Markgraf. Christian Ernst an Eger, Bayreuth 18.3.1672, Cheb A 2741/21 Redwitz, Brandenburg II  1654-1804
[7] Markt Redwitz an Gubernium von Böhmen, Redwitz 30.8.1777, Cheb A 2709/90
[8] Bancogefall Inspektorat an Eger, Abschrift Eger 8.11.1777, A 2709/90; Eger an Redwitz, Eger 10.11.1777, ebenda; Redwitz an Eger, Redwitz 14.11.1777, ebenda   

"Dem wohl Edl vest: großachtbarn vnd
hochgelährten Herrn Johann Christoph 
Bruschen von und vff Neuburg, vnnd
Ottengrün, der Stadt Eger woh
verordneten Consulenten vnd Syndico,
meinen insonders hochgeehrtisten Herrn.
Eger  

Wohl Edl vest großachtbar vnd hochgelährter, insonders
hochgeehrtister Herr.  
Deß Zolls verantworttet man sich Margr(äflicher) seits, fast alle Zeit also
dieser Zoll were kein Neuerung, es sey nur ein Wehr  vnd War
nungs Zoll, niemandts zum Präjudiz, beruffen sich auff Keyserl(iche)
privilegien so von Chur- und fürstlichen Hauß Brendenburg
ertheilt worden, versehen sich keines Eintrags, vnd [so weiter]
Daß es also scheint, alß sey es gar recht, Es verhelt
sich aber viel anderst, In deme dieser Marckt Redtwitz, weder
in 30, 50 od(er) 100 Jahren, von dem, was auß dem Königreich
Böheimb, Churpfalz und andern orten, von dieser seit Dörfles
herein und wieder davon gebracht worden, keinen einigen
pfennig Zoll geben, anietzo aber wirdt er gefordert, Sollte
es sein, dz es einige zu unterdrückung vnd ruin dieses Marcktes
angesehen sey: Alß helt Ein Erbar rath alhier
einfeltig dafür, Wen nit von Ihr Kayserl(icher) May(estät) ein
Special inhibition, ohngefehrdt mit diesen Worte ergehet,
so wirdt sonst nichts darauff gepast:
> Gleich wie wir durchauß nit gemeinet, D(urch)l(aucht) in dero Zollregalien
eingriff, oder einiger Verhinderung zuthun, Alß sind wir auch nit
gesonnen, wollten es auch nit geschehen lassen, dass unser Mackt
Redtwiz zu dessen unterdrückung in geringsten mit Neuerung
beschweret werde, den dieser Marck all und iederzeit, was
diesseits Dörfles, Auß unsern Königreich Böheimb, Churpfalz
und andern Orten, hie und her gelanget, freyen Paß ohne Zoll
gehabt, dahero vnser Keyserl(iche) Königl(iche) befehl, will
und meinung, dass es nachmals in den stand, wie es von
alters und iederzeit gewest, ferners verbleiben möge.

Wenn dieses geschehe, würde es schon anderst lauten, oder aber 
wen die königl(ich) Böh(mische) Cammer – wen obiges nit zuerhalten
– auff solche Weiß schreiben thete, würde es auch schon
genug sein. Nur hochgeehrtister Herrrr, ob ich gleich von dieser sach grob schreibe,
so were es doch nit unbillich, dass es auff diese Weiß gescheh(en)
sollte, womit nechst Empfehlung Göttlicher obsorge, ich
verbleibe Meines hochgeehrtisten Herrn schuldigster diener Georg Leopold […]  
Redtwiz den 2. Junii 1672